IV.1 Allgemeingültige Regeln argumentativer Auseinandersetzung
Es gibt zahlreiche allgemeingültige Regeln und Orientierungshilfen kritisch-argumentativer Auseinandersetzung und stichhaltiger Begründung. Dies gilt auch für die Auseinandersetzung um ethische und moralische Fragen
Jede Begründung stützt sich faktisch auf
(a) Autorität,
(b) logische Gesichtspunkte,
(c) empirische Gesichtspunkte und/oder
(d) andere Gesichtspunkte.
Zu (a). Die stärkste Autorität ist dabei göttliche bzw. religiöse Autorität. Wer sich überzeugt auf sie beruft, besitzt auch eine zumindest weithin fraglose Orientierungshilfe. Zugleich empfindet er das eigene Denken und Handeln als sinnvoll und gerechtfertigt. Ebenso klar ist jedoch, dass Berufung auf religiöse und insbesondere göttliche Autorität stets nur von einem Teil der Menschheit als akzeptabel betrachtet werden dürfte. Wegen der wahrscheinlich unaufhebbaren Divergenz bestimmter grundlegender religiöser Überzeugungen dürften sich zudem selbst religiöse Menschen nicht vollständig über die Inhalte göttlicher Gebote einigen.
Nichtreligiösen Menschen und Atheisten besitzen letztlich keine Möglichkeit, ethische Entscheidungen und Handlungen unter Berufung auf absolute Autorität zu begründen. Ihnen stehen nur die Alternativen (b) bis (d) offen.
Zu (b). Zu den logischen Kriterien, denen gültige Begründungen genügen müssen, gehört die Erfüllung folgender allgemeingültiger Prinzipien:
des Satzes der Identität (A = A)
des Widerspruchsfreiheitsprinzips (A ist nicht Nicht-A)
des Tertium non datur oder Satzes vom ausgeschlossenen Dritten (Jedes A ist entweder B oder Nicht-B)
des Transitivitätsprinzips (Wenn A ein B ist, und B ein C ist, dann ist A ein C).
Diese Kriterien heißen auch metalogische Prinzipien. Während einzelne Theorien der Logik sie durchaus spezifisch formulieren oder gar infrage stellen (können), gelten sie nichtsdestoweniger für die Entwicklung dieser Theorien selbst. Sie sind unumgängliche Prinzipien allen menschlichen Denkens und Sprechens, das nicht nur sinnlose Vorstellung oder sinnloses Gebrabbel sein soll. Sie heißen deshalb auch transzendental. Das soll (eben) bedeuten, dass sie
notwendige Bedingungen der Möglichkeit
menschlichen Denkens und menschlicher Kommunikation sind. So gesehen, lassen sich die Kriterien auch unter (d) einordnen.